Tag 16 – Die Schlange (13.11.2011)

In den vier Jahren die ich in Bolivien mit all seinen Regenwäldern verbrachte, sah ich nur eine einzige lebende Schlange in der freien Laufbahn. Leider endete unser Treffen mit dieser Vertreterin der in Verruf geratenen Spezies tragisch…für die Schlange.

Einem ungeschriebenen Gesetz folgend sah ich nie eine Schlange wenn ich gerade meine Kamera im Anschlag hatte. Am nächsten war ich meiner Chance eines Abends auf dem Gelände einer Hotelanlage in Rurrenabaque im Jahr 2009. Wir widmeten uns gerade mit einigen Kollegen der schwierigen Aufgabe, die Auswirkungen der anhaltenden Hitze mit ein paar Bieren zu mindern, als plötzlich eine Arbeitskollegin in den Saal hineingestürmt kam und „vibora vibora“ rief. Dies spiegelt bereits sehr passend eine für die Schlangen tragische Wirklichkeit wider, denn kein Mensch kann die gefährlichen von den ungefährlichen Exemplaren unterscheiden und alle werden vorsichtshalber als giftige Vipern klassifiziert und entsprechend behandelt.  Auch in diesem Fall. Noch bevor  ich das „Wo?“ stammeln und ein entsprechendes Objektiv auf die Kamera aufsetzen konnte – entsprechend heißt hier ein starkes Telezoom, denn der Mann von Welt schätzt die Distanz zu potentiell giftigen Tieren -  war die Schlange von den Angestellten mit Macheten in kompakte Sushi-Stückchen zerhackt und entsorgt worden. Denn die Einheimischen lernen schon als Kleinkinder mit Macheten umzugehen, wobei eine der ersten Lektionen hierbei „Aus eins mach zwei – Kopf ab in einem Sch-r/n-itt“ heißen muss.

Auch mein Versuch, eine Anakonda in den Pampas zu finden, blieb erfolglos. Obwohl wir uns mit den Guides trennten um ein größeres Gebiet abzudecken, obwohl ich irgendwann in meiner Verzweiflung damit begann, „put put put Anakonda, put“ zu rufen, was wohl nicht unbedingt wissenschaftlich begründet war, obwohl ich zwei Mal da war – nichts half.

Auch im Dschungel blieb jeder noch so vielversprechende Ast, der vom Baum runter hing oder auf dem Weg lag, das,  was er nun mal war: Ein Ast. Und genau dies wurde der Heldin unserer Geschichte zum Verhängnis.

Denn wenn man immer nur Äste für Schlangen hält, dann kann es irgendwann passieren, dass man auch mal eine Schlange für einen Ast hält. Und während der schwarze Ast den Ernst seiner Lage lange vor mir begriff und verzweifelt damit begann, sich um sein Leben zu schlängeln (dummerweise quer über die Straße), brauchte mein Gehirn einen Augenblick um diese ungewöhnliche Information zu verarbeiten. Es dauerte einen weiteren Augenblick, bis aus dem Ast eine Schlange wurde. Doch schon im nächsten Augenblick wurde aus dem „Das ist doch eine Schlange“  ein „Das war doch eine Schlange, oder?“, obwohl ich mehr schlecht als recht ein leichtes Ausweichmanöver einleitete. Bevor Kritik aufkommt: Leichtes, da man bei 80 km/h auf einer unbefestigten Straße von plötzlichen Lenkbewegungen unbedingt absehen sollte.

Damit kann ich zwar behaupten, am letzten Tag der Gültigkeit meines Arbeitsvisums noch eine Schlange in Bolivien gesehen zu haben, doch auf den Ausgang der Begegnung bin ich alles andere als stolz.

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