Alt aber neu: Riff, welches Riff?! – Der letzte Teil meines Besuchs bei den Guna Yala

Auch die Rückfahrt sollte nicht ganz ereignislos verlaufen. Mein Versuch, trockenen Fußes ins wartende Boot zu steigen, endete damit, dass ich im Dunkeln von der Kante des als Kai dienenden Bootswracks abrutschte und mit einem Fuß in abgestandenes Wasser trat. Zumindest redete ich mir ein, dass es abgestandenes Wasser gewesen sei.  Da mein Schuh auf einer Insel ohne Kanalisation nach eben der letzteren roch, war die Hoffnung aber eher gering.

Ich hatte mich gerade mehr oder weniger auf meinem Platz eingerichtet als unsere Reise ca. 200 m vom Ufer abrupt endete. Denn Schreie  „Die Motoren hochziehen, die Motoren hochziehen“, begleitet von unheilvollen Schrammgeräuschen an der Unterseite des Bootes, verhießen nichts Gutes. Wir waren auf ein kleines Riff aufgelaufen. Die folgenden drei Minuten verbrachten wir damit, der freundlichen, zutiefst philosophischen Diskussion des jungen Bootsbesitzers mit einem älteren Inselbewohner zu lauschen. Sie unterhielten sich über unterschiedliche Realitäten und vielleicht auch Zeitebenen. Über unser persönliches Empfinden und Wahrnehmen dieser. Es ging um nichts weniger als die Frage, ob es das Riff schon immer an dieser Stelle gegeben habe oder nicht. Der junge Mann bestand darauf, an exakt dieser Stelle hunderte von Malen vorbeigekommen zu sein ohne dass es je dieses Riff gegeben hätte. Der Ältere erhöhte den Einsatz seinerseits auf ein paar tausend Male und dass das Riff sehr wohl schon immer hier gewesen sei. Für Philosophen eine durchaus interessante Auseinandersetzung, allerdings teilten die restlichen Passagiere und ich diese Faszination in jenem Augenblick nicht. Es gibt sicherlich bessere Orte für solche Diskussionen als ein im absoluten Dunkeln auf dem Streitobjekt feststeckendes Boot. Dank der  anhaltenden Wirkung des „chicha fuerte“ nutzte ich die Zeit relativ entspannt dazu, eine Sitzposition zu finden, die meinen Fuß mit dem unglücklichen Schuh so weit wie möglich von meinem Riechorgan entfernen würde. Ein Plan, der in Anbetracht meiner bescheidenen Größe von 1,68 m von Anfang an zum Scheitern verurteilt war.

Schließlich konnten sich die Beiden darauf einigen, dass das Riff zwar schon immer dagewesen sei. Das Boot setzte endlich zurück. Mein Schuh stank weiter.

Am Ufer erwartete uns eine letzte Überraschung. Am Zollkontrollpunkt, einem ungewollten Nebenprodukt der Autonomie, wurde ein Leutnant der panamaischen Armee von seinen örtlichen Kollegen an dem Tag sitzen gelassen. Wut löste die anfängliche Enttäuschung ab. Er entschloss sich, dagegen zu protestieren – mit Dienst nach Vorschrift. Der Inhalt jeder einzelnen Tasche, jedes einzelnen Kartons, jedes einzelnen Rucksacks musste vor ihm bei weit über 30 Grad Celsius ausgebreitet werden. Innerhalb von wenigen Minuten hatte sich eine enorme Schlange von Autos gebildet, sowohl Einheimische als auch Touristen bemühten sich, ihrerseits die Wut zu unterdrücken und geduldig auf die Fragen des Militärs zu antworten.  Unverhofft kam uns eine Mitfahrerin zur Hilfe. Unser Fahrer fragte sie vorsichtig, in welchem Monat sie denn schwanger sei.

„Im fünften“.

„Gut, im achten also. Damit können wir uns an den Anfang der Schlange setzen“. Gesagt, getan. Begleitet von wütend-neidischen Blicken der anderen Fahrer bewegten wir uns auf den Anfang der Schlange zu. Eine halbe Stunde später befanden wir uns endlich auf dem Weg nach Panama.

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *