Alt aber neu: der dritte Akt meines Besuchs bei den Guna Yala – Von Regeln und imaginären Mosquitos

Die Einheimischen berichteten mir stolz, dass es auf der Insel keine Moskitos gäbe. Die erste Nacht verbrachte ich damit, die imaginären Angriffe dieser nicht existierenden Nervensägen abzuwehren. Als ich am nächsten Morgen im Rahmen einer empirischen Beweisführung die Stiche zeigte, kam die Theorie auf, dass ich die Moskitos mitgebracht haben könnte. Es gäbe ja keine auf der Insel. Ich entschloss mich umgehend dazu, das Thema nicht weiter zu verfolgen, um die Legendenbildung um die Ankunft des Europäischen Moskitobringers im Keim zu ersticken. Ich kratzte noch zweimal meine nun wieder rein imaginären Stiche und widmete mich der Morgentoilette.

Unter normalen Umständen schreiben die international anerkannten Standards vor, dass wenn man etwas von jemandem möchte, man ihn höflich darum bitten sollte. Wie der werte Leser aus dieser Einleitung bereits ableiten kann, verlief mein Versuch, eine Fotoerlaubnis für eine geschlossene Zeremonie vom Dorfältesten zu erlangen, nicht ganz nach diesem Muster.

Die Erlaubnis war unentbehrlich, da die Guna Yala Regeln genauso lieben wie Bußgelder und Gebühren – es gibt ein Bußgeld für nicht angeleinte Hunde während eines Volksfestes (15 USD), für überhöhte Geschwindigkeit von Booten in der Nähe bewohnter Inseln (30 USD), Fotografieren ohne Erlaubnis (500 USD), oder auch die Gebühr für den Besuch des Guna-Yala-Territoriums (6 USD), nur um einige zu nennen. Die Guna Yala regieren sich nämlich weitestgehend nach eigenen Regeln, die auch noch von Insel zu Insel schwanken. Es ist eins der wenigen Völker, die sich nie den Spaniern unterworfen haben. Stattdessen unterstützten sie fleißig die britischen und holländischen Korsaren und Piraten, die der spanischen Schatzflotte mächtig zusetzten. Dann wollte die Zentralregierung des (schein-)unabhängigen Panama die Gebiete eingliedern, aber auch die Bürokraten aus Panama-Stadt mussten nach jahrelangen blutigen Auseinandersetzungen ihre Grenzen anerkennen. Und so erkämpften sich die Guna Yala eine weitreichende Autonomie, die auch für mich bei meiner Abreise nicht ohne Folgen bleiben sollte. Aber dazu später.

Die ersten Schritte der besagten Antragsstellung verliefen gemäß der etablierten Standards: Begrüßung, Vorstellung durch den Fürsprecher, Austausch von Höflichkeiten, Entrichtung der vorgeschriebenen Gebühr (yep, festgeschrieben in den Dorfstatuten). Doch dann fiel mir die Quittung hinunter; und beim Versuch das genau zwischen uns liegende Stück Papier aufzuheben verpassten wir uns gegenseitig eine Kopfnuss. Ich weiß nicht was mich mehr schmerzte: Der physische oder der psychische Schmerz – denn meine Reflexe entsprachen in dem Augenblick nachweislich denen eines über 70 Jahre alten Mannes. Zum Glück nahm er es mit Humor und ich durfte, das zusätzliche Einverständnis der betroffenen Familie vorausgesetzt, Fotos der geheimnisvollen Innamutikit-Zeremonie machen…

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